„Alles hängt mit Allem zusammen.“
Ein Schleimpilz wird zum Baumeister von Kabinentrennwänden in Flugzeugen. Klingt verrückt? Nicht für die Bioniker*innen von Airbus im ProtoSpace des „Zentrums für Angewandte Luftfahrtforschung“ in Hamburg. Sie wollen Flugzeuge mithilfe der Natur deutlich leichter und damit spritsparender und umweltfreundlicher machen. Vincent ist Nachhaltigkeitswissenschaftler und checkt in einer Ökobilanz alle Schritte auf dem Weg dorthin.
Schicht für Schicht besser werden
„Breit aufgestellt sein ist das A und O!“
Allesversteher*innen gesucht
Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaftler*innen müssen sich in vielen unterschiedlichen Bereichen bewegen können: in Ingenieurberufen, in der Ökologie, Biologie, Chemie, Betriebs- und Volkswirtschaft. „Wir müssen nicht alles können, aber doch verstehen, was die Menschen antreibt, die an einer Produktentwicklung mitwirken“, sagt Vincent. „Wir sind vor allem als Kommunikatoren gefragt.“ Er selbst hat erst Umweltwissenschaften studiert, verschiedene Praktika in großen Unternehmen absolviert und als studentischer Unternehmensberater gearbeitet. Jetzt macht er seinen Master in Nachhaltigkeitswissenschaften an der Leuphana Universität in Lüneburg.
Studium Nachhaltigkeitswissenschaften
Ein Flugzeug aus dem 3-D-Drucker
Die bionische Trennwand ist das weltweit größte 3-D-gedruckte Flugzeugbauteil aus Metall. Sie trennt den Passagierraum von der Bordküche. Dass sie eine Öffnung für die Notbahre und einen ausklappbaren Sitz für das Bordpersonal beinhalten muss, ist die große gestalterische Herausforderung. Bioniker*innen haben die Lösung nach dem Schleimpilzvorbild im 3-D-Druck und mit speziell zusammengestellten Materialien gefunden. Die bionische Trennwand ist nun nicht nur knapp 50 Prozent leichter als alle derzeit vorhandenen Modelle, sondern auch robuster. Die Gewichtsersparnis bewirkt Brennstoffeinsparungen und reduzierte Kohlendioxidemissionen.
Intelligenz aus Schleim und Knochen
„Wir stellen unser Denken komplett auf den Prüfstand.“
Die bionische Trennwand muss einerseits stabil genug sein, um den Sitz, auf dem bei Start und Landung ein*e Flugbegleiter*in sitzt, tragen zu können. Zusätzlich muss es möglich sein, einen Teil der Trennwand zu entfernen oder einklappen zu können, um im Notfall Personen auf einer Trage durchzulassen. Im 3-D-Druckverfahren lassen sich nach Schleimpilz- und Knochenvorbildern extrem leichte und feste Strukturen bauen, die mit konventionellen Fertigungsmethoden bislang nicht herstellbar waren.
Bioniker*innen haben schon in den 1960er-Jahren die mathematischen Grundlagen für eine Evolutionsstrategie gelegt. Damit lassen sich im Computer Mutationen oder Modifikationen simulieren und deren Effizienz testen. Das spart Zeit und Geld in der Forschung. Die Ergebnisse sind dabei durchaus lebensnah. So lässt sich beispielsweise über entsprechende Programme das ideale Mischungsverhältnis unterschiedlicher Kaffeebohnen berechnen mit dem Ziel, den optimalen Geschmack zu einem möglichst günstigen Preis zu erzielen.
Wir Bioniker*innen sind das „gallische Dorf“ bei Airbus
„Evolution im Zeitraffer.“
Mit der Natur im Steigflug
Mit einem New Yorker Architekturbüro, einer speziellen Design-Software und 3-D-Druck haben die Forscher*innen von Airbus das bionische Design für die Flugzeugkabinengestaltung entwickelt, das auf einem biologischen Organismus basiert. Weil die Streben dem Schleimpilz nachempfunden sind, ist nichts mehr rechtwinklig. „Wir haben mehr als 10.000 Designvarianten durchgerechnet und haben mit Big Data Analytics herausgefunden, welches das beste Design ist“, sagt Airbus-Innovationsmanager Bastian Schäfer.
Ein Schritt zurück ist oftmals der entscheidende Fortschritt
Schleimpilz / Bionic Partition
Mit einem Geflecht aus Pilzfäden gelangt der Schleimpilz an alle Nährstoffe in seiner Umgebung – auch wenn er dafür größere Strecken überwinden muss. Das komplexe zweidimensionale Netzwerk ist effizient, weil es eine bestimmte Reihe von Punkten mit einer minimalen Anzahl von Linien verbindet. Weil aber ein Schleimpilz im Boden lebt und nicht steif genug ist, um ein dreidimensionales Netzwerk zu halten, bringen die Bioniker*innen auch ihre Beobachtungen aus dem Knochenaufbau ins Spiel: Die Verstrebungen, die der Schleimpilz vormacht, werden nach dem Knochenvorbild aufgedickt und die verschiedenen Lastarten dementsprechend anpasst. So lassen sich sehr leichte und stabile Strukturen entwerfen.