„Das Klimaproblem löst sich nicht von allein“

Klimawandel, Umweltschäden, schwindende planetare Ressourcen: Führen noch Wege aus dieser katastrophalen Sackgasse? Wandel ist möglich – und nicht nur der Staat, sondern auch jeder und jede Einzelne kann dazu beitragen, meint der Wirtschaftswissenschaftler und Nachhaltigkeitsexperte Professor Philipp M. Richter von der TU Dresden.

Herr Professor Richter,
„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“, soll Luther einmal gesagt haben. Wenn wir heute auf den Klimawandel und das zunehmende Erschöpfen der planetaren Ressourcen schauen, scheint das Untergangsszenario doch langsam immer näher zu rücken. Wie halten Sie es mit Ihrem persönlichen Apfelbäumchen?

Prof. Philipp M. Richter: Wir haben jüngst einen Kirschbaum als Geburtsbaum für unseren Sohn gepflanzt – dies aber nicht in Kenntnis eines nahenden Weltuntergangs, sondern vielleicht eher in dem Bewusstsein, dass wir unseren Planeten zukünftigen Generationen lebenswert hinterlassen sollten. Insbesondere beim Thema Klimawandel bleibt es aber schwierig, hoffnungsfroh zu bleiben. Die Idee, dass sich das Klimaproblem von allein löst, beispielsweise durch technischen Fortschritt, teile ich nicht und ich denke, dass hierfür ein Bewusstseinswandel und staatliche Eingriffe notwendig sind.

 

Woran hapert es aus Ihrer Sicht am meisten?

Staatliche Eingriffe sind momentan nicht ausreichend und die Klimapolitik ist in fast allen Ländern nicht ambitioniert genug. Dies liegt unter anderem an dem Problem des „Trittbrettfahrens“. Bei Treibhausgasen wie CO2 handelt es sich um globale Schadstoffe. Das heißt, dass es für den Klimawandel keinen Unterschied macht, wo sie ausgestoßen werden. Daraus entstehen im Umkehrschluss Anreize für die Einzelnen, ihre Klimapolitiken abzuschwächen, wenn andere mehr CO2 vermeiden.

 

Wie kommt man aus dieser Sackgasse?

Es fehlt eine intensivere globale Kooperation, um den Klimawandel gemeinsam in erträglichem Rahmen zu halten.

 

Vorangehen mit bewussteren Konsumentscheidungen oder auch Verzicht

Welchen Beitrag können dazu Unternehmen und jeder und jede Einzelne von uns leisten?

Unser wirtschaftliches Zusammenleben beruht auf einer Vielzahl von Einzelentscheidungen, von Unternehmen und Individuen. Ich denke schon, dass Einzelne etwas verändern können, sei es auf Unternehmensebene durch das Angebot nachhaltiger, zum Beispiel energieeffizienter Produkte, oder durch Innovationsleistung, sei es auf individueller Ebene durch bewusstere Konsumentscheidungen oder Verzicht; und natürlich auch durch Wahlbeteiligung oder politisches Engagement.

 

Zwischen dem ökologisch Wünschenswerten und dem konkreten Handeln liegen allerdings erfahrungsgemäß oft Welten. Wie lässt sich am besten eine Brücke schlagen?

Ganz klar. Nicht jeder hat ein Interesse daran oder die Möglichkeiten, sich zu informieren. Hier hilft ein staatlicher Eingriff, damit sich die Kosten für Umweltschäden in den Preisen einzelner Produkte wiederfinden. Weniger umweltverträgliche Produkte müssen somit teurer werden, damit auch der Konsum von jenen, die sich nicht für eine nachhaltige Entwicklung interessieren, nachlässt.

 

Daten sind wichtig – sie machen Klimaziele erst vergleichbar

Wie lässt sich nachhaltige Entwicklung in der Wirtschaft messen und warum sind solche Messungen wichtig? 

Einige Unternehmen veröffentlichen neben Kennzahlen zu Umsatz und Gewinn auch Informationen über den Energie- oder Wasserverbrauch oder die Emissionen von CO2. Dies erhöht sicherlich die Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen und über die Zeit. Solche Informationen sind auch notwendig, um zu verstehen, wie einzelne Umweltpolitiken auf Unternehmen wirken. Allerdings ist es nicht ausreichend, nur Kennzahlen einzelner Unternehmen zu betrachten. So könnte es zu einer Auslagerung der schmutzigsten Produktion kommen. Die Zahlen sähen dann zwar vielversprechend aus, aber das Umweltproblem wäre nur verlagert. Bezogen auf CO2-Emissionen sind Daten auf nationaler Ebene bereits deshalb wichtig, um Klimaziele vergleichbar zu machen und international gemeinsam zu einer Reduktion von Treibhausgasen zu kommen.

 

Was halten Sie von der These „Jeder Beruf ist grün – wenn wir das wollen“?

Vermutlich lassen sich für jeden Beruf Möglichkeiten finden, ihn nachhaltiger zu gestalten. Allerdings denke ich, dass es durchaus manche Berufe beziehungsweise Arbeitsplätze gibt, die nicht mit einem umweltverträglichen Leben vereinbar sind. Diese müssten z. B. bei ambitionierter Klimapolitik wegfallen. Man denke an das Thema Ausstieg aus der Kohleproduktion und Verstromung. Mit anderen Worten: Der notwendige strukturelle Wandel ist viel größer, als es die These suggeriert. Hier liegt sicherlich auch eine politische Aufgabe, diesen Wandel zu gestalten und denen zu helfen, die eben durch ambitioniertere Umweltpolitik ihren Arbeitsplatz verlieren, z. B. im Kohlesektor.

 

Was würden Sie einem jungen Menschen sagen, worauf es in der Berufsorientierung ankommt, wenn damit für ihn und seine Umgebung eine sichere Zukunft verbunden sein soll? Und welche Fragen sollte er dazu an seinen möglichen künftigen Arbeitgeber oder Ausbilder richten?

Vor allem sollte einen der gewählte Beruf interessieren und Spaß machen. Zudem sollte man bereit sein, sich weiterzubilden, eingetretene Pfade zu verlassen und im Zweifelsfall auch etwas anderes zu machen. Sicherlich sollte man bei der Berufswahl auch bedenken, dass einzelne Berufe von zukünftiger Klimapolitik (oder mehr noch durch Automatisierung) betroffen sein werden. Hierin liegt allerdings auch eine Chance. So entstehen viele neue spannende Berufe, etwa im Bereich der erneuerbaren Energien oder einer nachhaltigeren Form des Wirtschaftens im Allgemeinen.

 

IM PROFIL

Dr. Philipp M. Richter,

Jahrgang 1985, ist Junior-Professor für Internationale Wirtschaftspolitik an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Technischen Universität Dresden. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem in den Bereichen Handel und Umwelt sowie Klimapolitik und internationale Energiemärkte. Professor Richter ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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