An das Entwicklungslabor Natur: Danke für die ganze Arbeit!

Seit 3,77 Milliarden Jahren ist unser Planet belebt. Auch wenn es zwischendurch mal eng wurde für das Leben auf unserer Erde und obwohl es so manchen „Helden der Urzeit“ heute nicht mehr gibt, ist „Life on Earth“ ein echtes Erfolgsmodell. Milliarden von Lebewesen aus mehr als 10 Millionen verschiedener Arten wachsen, bohren, kleben, rennen, fliegen, während ich das hier schreibe, oder Du es liest. Das sind gute Nachrichten für uns, denn viele dieser Organismen arbeiten direkt oder indirekt auch für uns. Wer gute Fragen stellt und die richtigen Schlüsse zieht, der kann sich viel (Denk-)Arbeit sparen.

Alles Open Source

Obwohl hier ausschließlich der Zufall aktiv war und ist, sind die Ergebnisse des „Entwicklungslabors Natur“ über fast 3,8 Milliarden Jahre Evolution oft erstaunlich: Eine Blüte, die sich dreht und wendet. Ein Knochen, der fast nichts wiegt, höchsten Belastungen standhält und sich selbst repariert. Ein Blatt, an dem absolut nichts haften bleibt. Das alles lässt uns nicht nur staunen, sondern hilft uns durchaus auch bei so manch eigener Konstruktions- und Organisationsfrage weiter, denn kopieren, umbauen, abwandeln natürlicher Lösungen ist immer erlaubt.

Ach, das sind die mit dem Klettverschluss!

Das Erkennen und Entwickeln neuer Lösungen nach dem Vorbild der Natur ist Gegenstand der Bionik, einem Wortmix aus Biologie und Technik. Den Klettverschluss, der aus der Beobachtung und dem Verstehen der notorisch „anhänglichen“ Klettpflanze hervorging, kennt mittlerweile (fast) jedes Kind.

 
Weil wir inzwischen über technische Tricks verfügen auch in Organismen zu gucken, können wir noch jede Menge mehr lernen. Warum halten Bäume großem Wind und Knochen großer Belastung stand, ohne alle Energie in immer mehr Material zu stecken? Die Antwort auf diese Frage hilft uns, Bauteile leichter und dennoch langfristig stabil zu machen. Weil viel Material und damit viel Gewicht immer auch mehr Geld kosten, ist das Thema Leichtbau besonders in der Automobil- und Luftfahrtindustrie ein ganz wichtiges. Heute reist ganz folgerichtig in fast jedem Auto und in jedem Flugzeug auch ein bisschen Bionik mit.

Next step: Schwarmverhalten / Stauvermeidung

Hat man früher oft versucht, die Natur einfach zu kopieren, machen sich Bioniker in Zukunft viel mehr Gedanken darüber, Prinzipien aus der Natur zu verstehen und auf Menschen gemachte Technik und Organisation zu übertragen.
Die Koordination der Arbeiterinnen in einem Ameisenvolk oder das unfallfreie Schwimmen tausender Fische eines Schwarms liefern schon heute wichtige Erkenntnisse für unsere Mobilität. Das reicht vom Vermeiden von Staus (gibt’s auf Ameisenstraßen einfach nicht) bis hin zum autonomen Fahren oder der Steuerung hochkomplexer logistischer Systeme, wie sie im Paketversand Anwendung finden.

Da geht noch was!

Auch wenn wir durch die Anwendungen der Bionik schon auf viele Lösungen gekommen sind, birgt die Natur mit Sicherheit noch jede Menge Überraschungen und Tricks für Herausforderungen, über die wir uns immer noch den Kopf zerbrechen. Weil Menschen aber Tier- und Pflanzenarten permanent und dauerhaft ausrotten, trocknet der „Ideenpool“ der Natur gerade immer rascher aus.

 
Fest steht: Nur durch Erhalt der biologischen Vielfalt können Wissenschaftler und Ingenieure auch künftig all den genialen Vorbildern der Natur nachspüren, die Vielfalt an ressourceneffizienten Funktionsprinzipien von Pflanzen und Tieren verstehen und in innovative Technik umsetzen. Jedenfalls dann, wenn sie weiter genau hinsehen und ihren Verstand und ihr Vorstellungsvermögen bestmöglich aktivieren.